Ein Konflikt zeichnet sich dadurch aus, dass die Konfliktpartner in ihren inneren Gefängnissen, ihren Burgen, sitzen, die Schotten dicht gemacht haben und aus der Schiessscharte scharf auf den Gegner schiessen. In ihrer Wahrnehmung sind sie sich am Verteidigen, da sie ja angegriffen werden. Zum Selbstschutz haben sie in ihrer Burg die Zugbrücke nach oben gezogen, alles verschlossen, nur damit sie nicht NOCH MEHR verletzt werden.
Kommt dir das Bild überzeichnet vor?
Spannend, seit ich mit vielen Menschen über Konflikte und mögliche Konfliktklärungen spreche, sagen mir fast alle: "Das mit der Konfliktklärung kann ich mir schon irgendwie vorstellen, aber was ich GANZ sicher nicht mehr will, ist NOCH MEHR verletzt zu werden. Das tut so weh, das halte ich nicht aus. Lieber lebe ich bis ans Ende in diesem Zustand (Burg mit hochgezogener Zugbrücke) weiter, als dass ich nochmals so etwas erleiden muss".
Ok, ich kann das sehr gut verstehen. Auch ich bin lange Zeit meines Lebens mit dieser hochgezogenen Zugbrücke in meiner Burg gesessen. Und habe mit der Haltung gelebt, Hauptsache es wird nicht noch schlimmer. Was ich dabei (noch) nicht wusste: Es gibt Wege, die Klärung herbeiführen können, OHNE dass die Konfliktpartner noch mehr verletzt werden. Diese Wege ermöglichen, die Zugbrücke herunterzulassen und die Burg zu verlassen.
Wie kann das sein?
Der U-Prozess der Konfliktklärung kann so ein Weg sein. Es ist kein leichter Weg, er konfrontiert die Konfliktpartner mit sich selbst, ihrem hellen Schein und den dahinterliegenden dunklen Schatten. Und all dem, was die Parteien durch ihr Handeln bei den anderen an Verletzungen, Schmerz und Vertrauensverlust ausgelöst haben.
Der U-Prozess dient in der Konfliktmoderation oder der Mediation (abhängig von der Schwere des Konfliktes) als Gesprächsleitfaden und Landkarte.
Im Gespräch, ergänzt mit gestalterischen Elementen wie Bildern oder mit Praktiken zur Emotionsregulierung, angeleitet und geführt durch eine dritte Person werden zu jedem Konfliktthema die unterschiedlichen Sichtweisen geteilt. Anschliessend beleuchtet man zu einer emotional schwierigen Situation in diesem Konfliktthema die Gefühlslage der Konfliktpartner sowie die darunterliegenden Bedürfnisse und Absichten.
Es ist ein gemeinsames Abtauchen in die Tiefen des menschlichen Erlebens und Seins, wobei auf jeder Ebene jede Person angehört wird, anschliessend die Aussagen gegenseitig anerkannt und ausgedrückt werden. Dies ermöglicht allen Beteiligten, mit sich selbst und dem Gegenüber neu in Kontakt zu kommen.
Die Bedürfnisnot als zentrales Anliegen für das Verstehen
Wenn die Parteien verstehen, was dem anderen Konfliktpartner fehlt(e), was ihre Bedürfnisse und ihre Not war/ist, dann verstehen sie das Zentrum, aus dem ihr Handeln entsprungen ist, das Zentrum, aus dem der Schmerz entstanden ist. Und dieses Verstehen ist ein Wendepunkt. Nicht nur im Gespräch, auch auf der körperlichen und seelischen Ebene. Es fällt eine Last von den Schultern, es wird wieder wärmer im Raum und ums Herz, freieres Atmen ist wieder möglich, es kann erstmals wieder auch etwas Positives und Wertschätzendes geäussert werden. Dies schneidet dem Konflikt die Eigendynamik ab und ein Ausweg aus der negativen Konfliktdynamik wird möglich.
Es ist der Punkt, indem sich der Fokus aus der Vergangenheit (der Bedürfnisnot) hin zu einer möglichen frischen Zukunft eröffnet.
Ab diesem Zeitpunkt kann gemeinsam wieder ein konstruktiver Dialog aufgebaut werden. Zuerst noch ganz vorsichtig in winzigen Schritten und mit grosser Vorsicht wird ein Weg zum Konfliktpartner aufgebaut. Es braucht Mut, Vertrauensvorschuss und die aktive Erinnerung daran, dass hinter dem Schmerz in der Vergangenheit oft auch schöne, gute gemeinsame Erinnerungen vorhanden sind. Diese Ressourcen können optimal weise proaktiv in das Friedensfundament eingewebt werden.
Gemeinsam ins Tun kommen
Sobald das "Land der leichten Lösungen" erreicht ist, kann im Brainstorming nach neuen Handlungsoptionen gesucht werden. Es fällt jetzt viel leichter, Räume werden sichtbar, die vorher durch Mauern versperrt gewesen sind.
Aus den Handlungsoptionen werden im letzten Schritt des U-Prozesses Vereinbarungen getroffen. Dies können Vereinbarungen auf der Sachebene sein, zum Beispiel sich wöchentlich bilateral abzusprechen, oder auf der Beziehungsebene, "wir grüssen einander auf dem Gang".
Die Konfliktklärung dauert typischerweise mehrere Sitzungen, in jeder wird ein Konfliktthema bearbeitet. Aus jeder Sitzung werden Vereinbarungen mitgenommen und umgesetzt. Oft bewirken die Konfliktklärungen auch auf der impliziten Ebene viel. Hier sind die Konfliktpartner aufgefordert, als Fortschrittsdetektive, ihr gemeinsamen Tun und Sein zu beobachten. Wie gehen sie jetzt miteinander um? Wie fühlen sie sich im direkten Kontakt? Welche Veränderungen nehmen sie vom Konfliktpartner? Was sagt ihr Umfeld dazu? All diese kleinen Veränderungen können die Bausteine einer neuen konstruktiven Beziehung sein.
Mitgestaltungswille ist zwingend notwendig
Dieser Weg ist mit einer intensiven Mitarbeit aller Konfliktpartner verbunden. Deshalb ist es elementar, sei dies in einer Gruppe oder mit zwei Parteien, dass der Wille zu einer friedlichen Beilegung gegeben ist. Oder zumindest die Absicht aller, in Zukunft wieder konstruktiv zusammenzuarbeiten.
Wie das Bild der Burg und der Zugbrücke zeigt, kann die Zugbrücke nur von innen geöffnet werden. Das bedeutet, dass die Konfliktpartei sie selbst öffnen muss. Als Moderatorin des Prozesses kann ich dazu ermutigen und dafür sorgen, dass Vertrauen für diesen Schritt aufgebaut wird. Dies geschieht oft, wenn die Sichtweisen, Gefühle, Absichten und Bedürfnisse der anderen Partei anerkannt werden und wir uns vollständig gesehen und verstanden fühlen. Dieser Prozess hilft, Verletzungen zu heilen, da Wahrheit heilt.
1, 1-1 oder n-n
Dieser Weg kann Entlastung und Klärung bringen, in
einem Einzelkonfliktcoaching. Es hilft, die eigenen Beweggründe klarer zu erkennen, bietet emotionale Entlastung und optimalerweise neuen Handlungsspielraum. Dies ermöglicht dem Coachee, zukünftig in konfliktbehafteten Situationen besser in der eigenen Kraft zu bleiben, bewusster und konstruktiver zu agieren.
in einem Konflikt zwischen zwei Konfliktpartnern, beispielsweise zwischen zwei Mitarbeitenden in einer Organisation.
in einem Team oder Gruppe, in der Diskussionen schnell von der Sachebene auf die Beziehungsebene abrutschen, sprich emotional aufgeladen werden, scharf geschossen wird oder Vermeidungsverhalten wie "ganz viel Homeoffice" oder "wenn X da ist, komme ich nicht" sichtbar ist.
in einer Konfliktkonstellation zwischen zwei Gruppen, zwei Teams oder gar Abteilungen oder Bereichen.
Wenn du neugierig geworden bist und deine / eure schwierigen Situationen oder Konflikte mit dem U-Prozess beleuchten möchtest, damit du deine Zugbrücke wieder herunterlassen kannst, freue ich mich auf deine Kontaktaufnahme.
Ich unterstütze Menschen im beruflichen Kontext in der Konfliktklärung im Grossraum Berner Mittelland oder auch Online.
Alles Liebe
Franziska
Comments