Erfolgreicher Umgang mit Widerständen und Konflikten in agilen Arbeitswelten.
Konflikte sind in jedem Arbeitsumfeld ein gesunder Bestandteil, und agile Arbeitswelten sind keine Ausnahme. Tatsächlich können Konflikte in agilen Teams häufiger auftreten, da diese Arbeitsweise hohe Interaktionen, schnelle Veränderungen und kontinuierliche Feedback- und Lernschleifen erfordert. Der erfolgreiche Umgang mit Konflikten in agilen Arbeitswelten ist entscheidend, um die Produktivität, Kreativität und Zufriedenheit der Teams und Teammitglieder zu fördern. In diesem Artikel betrachten wir verschiedene Perspektiven, wie Spannungen und Konflikte in agilen Teams konstruktiv bewältigt werden können.
1. Die Natur des Konflikts verstehen
Spannungen entstehen, wenn unterschiedliche Vorstellungen, Ziele oder Haltungen aufeinanderprallen. Sobald sich eine Person in seiner Wirkkraft von anderen Personen im Team eingeschränkt fühlt, kann dies eine Konfliktdynamik entfachen. In agilen Teams können diese Unterschiede durch den intensiven kollaborativen Ansatz noch verstärkt werden. Es ist wichtig zu erkennen, dass Konflikte nicht per se negativ sind. Sie können als Katalysatoren für Innovation und Verbesserung dienen, wenn sie konstruktiv angegangen werden.
2. Die Natur der agilen Methoden und Rollen verstehen
Die agilen Rollen wie Scrum Master, Produkt Owner und agiles Team sind in ihren Ausprägungen so gestaltet, dass sie Spannungen erzeugen sollen. So ist ein Produkt Owner an der raschen Lieferung des Produktes interessiert, das Team möchte aber in möglichst guter Qualität liefern. Dies ist ein systemischer Widerspruch, der permanent zu Differenzen zwischen den Rollen führt. Ein klassischer Zielkonflikt. Hierfür Verständnis und Bewusstsein in den agilen Teams und den Stakeholdern herzustellen und zu halten, ist für einen erfolgreichen Umgang mit diesen Widersprüchen elementar.
Der Einfachheit halber beschränken wir uns in diesem Artikel auf eine einfache agile Teamperspektive. In einem skalierten agilen Umfeld wie Scrum of Scrum, SAFe sind die gleichen Dynamiken erkennbar und Konfliktregulierungskompetenzen ein entscheidender Erfolgsfaktor.
3. Offene Kommunikation fördern
Transparente und offene Kommunikation sind das Rückgrat eines jeden agilen Teams. Regelmässige Meetings wie Daily Standups, Reviews und Retrospektiven bieten Plattformen, auf denen Teammitglieder ihre Gedanken und Bedenken äußern können. Ein Umfeld zu schaffen, in dem sich jeder sicher fühlt, seine Meinung zu teilen, ist entscheidend. Und zuhören um zu Verstehen eine Grundhaltung ist. Den hinter Widerständen verstecken sich oft wertvolle neue Perspektiven.
Perspektive der Teammitglieder: Wenn Teammitglieder das Gefühl haben, dass ihre Stimmen gehört und geschätzt werden, sind sie eher bereit, konstruktiv zu diskutieren und Konflikte zu lösen.
Perspektive der Führungskräfte und der Organisation: Diese offene Kommunikation muss von den Führungskräften und der Organisation vorgelebt werden. Nur was oben in der Hierarchie lebt, kann unten wirken.
4. Die Rolle des Scrum Masters oder Agile Coaches
Der Scrum Master oder Agile Coach spielt eine zentrale Rolle im Konfliktmanagement. Diese Person sollte in der Lage sein, Spannungen und Konflikte frühzeitig zu erkennen und angemessen zu intervenieren. Durch Mediationsfähigkeiten und ein tiefes Verständnis der Gruppendynamik kann der Scrum Master helfen, Spannungen abzubauen, darunterliegende Absichten, Ziele und Bedürfnisse zu heben und den Fokus auf gemeinsame Ziele zu lenken.
Perspektive des Scrum Masters: Ein erfolgreicher Scrum Master versteht, dass Konflikte Teil des natürlichen Teambildungsprozesses und in der agilen Welt als Chance implementiert sind und nutzt sie als Gelegenheit, das Team zu stärken. Die Fähigkeit, die Konfliktsymptome im Team auch auf systemischer Ebene zu adressieren und den Handlungsspielraum optimal zu nutzen, ist elementar. Nicht alles, was sich im Team zeigt, hat seinen Ursprung auf der Teamebene. Oftmals wirken organisatorische Spannungsfelder in die Teams rein und stiften dort ihr Unwesen. Klassischerweise Mitarbeiterführungsprozesse, Konflikte zwischen Abteilungen oder Bereichen, Spannungsfelder zwischen dynamischer, erfolgreicher Digitalisierung und eher hochstrukturieren, klassischen Bereichen wie Finanzen oder Informatik Betrieb. Diese Konflikte sollen frühzeitig vom Scrum Master an die Führungskräfte adressiert werden können. Die Führungskräfte sollten sich für die Klärung dieser organisationalen Konflikte verantwortlich zeigen.
Ein professioneller Umgang mit emotionalen Situationen, beispielsweise wenn Personen verärgert sind und Stresssymptome zeigen, ist für einen Scrum Master besonders wichtig. Den exakt dann sind seine vermittelnden, klärenden Dialogkompetenzen wichtig und sollten nicht durch persönliche Konflikthaltungen verfärbt oder geschwächt werden.
5. Konflikte als Lernmöglichkeit nutzen
Jeder Konflikt bietet eine Gelegenheit zum Lernen und Wachsen. In Retrospektiven kann das Team reflektieren, was gut gelaufen ist und was verbessert werden kann. Konflikte sollten dokumentiert und analysiert werden, um Muster zu erkennen und zukünftigen Problemen vorzubeugen. Dies kann in Form eines Impediment Backlogs passieren.
Perspektive der Führungskräfte: Führungskräfte sollten Widerstände und Konflikte nicht als Bedrohung, sondern als wertvolles Feedback betrachten, das zur Weiterentwicklung des Teams und der Prozesse beiträgt. Oftmals zeigen die Konflikte, die aus den agilen Teams zu den Führungskräften getragen werden, systemische Zusammenhänge und Widerstände auf. Diese zu erkennen, zu benennen und in der Organisation für Lösung zu sorgen, ist die Hauptverantwortung einer Führungskraft in einem agilen Kontext.
6. Emotionalen Intelligenz entwickeln
Die Fähigkeit, die eigenen Emotionen und die der anderen zu verstehen und zu steuern, ist in Konfliktsituationen von unschätzbarem Wert. Das eigene innere Erleben im Widerstand oder in konfliktbehafteten Situationen gut lesen zu können, stärkt zusätzlich die persönliche emotionale Intelligenz. Teams, die emotionale Intelligenz entwickeln, können empathischer und verständnisvoller miteinander umgehen. Emotionale Intelligenz kann durch Training und gezielte Übungen verbessert werden. Teams, die in diesen Bereichen stark sind, bewältigen Konflikte konstruktiver und bauen stärkere Beziehungen auf.
7. Unterschiedliche Konfliktstile erkennen und nutzen
Menschen haben unterschiedliche Herangehensweisen an Konflikte – von vermeidenden bis hin zu konfrontativen Stilen. Das Verständnis dieser Stile und der jeweiligen Vor- und Nachteile kann Teams helfen, besser miteinander umzugehen und Konflikte produktiver zu lösen.
Perspektive der Teammitglieder: Wenn Teammitglieder die Konfliktstile ihrer Kollegen kennen, können sie ihre Kommunikationsstrategien anpassen und effizienter zusammenarbeiten.
8. Praktische Konfliktlösungsstrategien
Retrospektiven durchführen: Jedes agile Team sollte regelmässig Retrospektiven durchführen. Und dort in einem wertschätzenden Dialog auf ihre herausfordernden Erlebnisse und Situationen im gemeinsamen agilen Tun schauen. Neben der Sachebene regelmässig die Beziehungsebene beleuchten. Aus den Retrospektiven jeweils 1 – 2 Massnahmen ableiten, die dann effektiv umgesetzt werden. Dies stärkt das Vertrauen des Teams in die eigene Wirkkraft und erhöht die Resilienz des Teams.
Gemeinsame Vision und Ziele definieren: Teams sollten sich regelmäßig auf ihre gemeinsamen Ziele und Visionen besinnen. Dies hilft, individuelle Differenzen in den Hintergrund zu rücken und den Fokus auf das grössere Ganze zu lenken.
Dialogkultur etablieren: Miteinander zu sprechen und nicht übereinander - das macht den Unterschied. Den Mut und die Fähigkeit, unangenehmes oder emotionales anzusprechen und dabei in seiner Kraft zu bleiben, ist gelebte Dialogkultur. Dies beinhaltet auch die Fähigkeiten, sich im Dialog so auszudrücken, dass sich die Gesprächspartner verstanden fühlen. Hierfür strukturierte Dialogprozesse im Team zu etablieren, zahlt sich aus.
Konfliktlösungstrainings: Trainingsprogramme können Teams mit den notwendigen Fähigkeiten und Techniken ausstatten, um Differenzen präventiv zu klären und Konflikte konstruktiv zu bewältigen. Dies beinhaltet Fragetechniken, Dialogprozesse mit grossem Klärungspotenzial, persönliches Konfliktverhalten sowie Grundlagen rund um Konflikte.
Lerngefässe für Scrum Master und Agile Coaches: Unter den Agilecoaches und Scrum Master sollte ein regelmässiger Austausch zu ihrem Umgang mit konfliktbehafteten Situationen stattfinden. So kann gemeinsames Lernen rund um Konflikte ermöglicht werden. Zusätzlich dienen sie als Anlaufstelle, wenn ein schwieriges Gespräch oder eine Retrospektive ansteht, damit die Schwarmintelligenz in der Organisation optimal genutzt werden kann. Optimalerweise wird diese Scrum Master Community mit Konflikt- und Kommunikationsexperten gestärkt, auf die bei herausfordernden Ausgangslagen unkompliziert zugegriffen werden kann.
Konfliktmoderation und allenfalls Mediation: Externe Moderatoren oder Mediatoren können helfen, eskalierte Konflikte zu lösen, indem sie eine neutrale Perspektive einbringen und den Dialog fördern. Konfliktmoderationen in wenig eskalierten Konflikten können auch durch geschulte Scrum Master oder Agile Coaches erfolgen. Gerne auch übergreifend bei einem «fremden» Team, was die neutrale Perspektive ermöglicht. Hier ist wichtig, dass der Scrum Master bewusst erkennt, wann er auf externe Hilfe zugreifen sollte.
9. Die langfristigen Vorteile eines gesunden Konfliktmanagements
Ein effektives Konfliktmanagement trägt nicht nur zur Lösung aktueller Probleme bei, sondern stärkt auch das Vertrauen und die Zusammenarbeit im Team. Teams, die Konflikte konstruktiv lösen, sind resilienter, kreativer und engagierter.
Perspektive der Organisation: Langfristig führt ein gesundes Konfliktmanagement zu einer höheren Zufriedenheit der Mitarbeiter, einer geringeren Fluktuation und einer besseren Leistung des gesamten Unternehmens.
Fazit
Der Umgang mit Konflikten in agilen Arbeitswelten ist eine Herausforderung, die jedoch immense Chancen für Wachstum und Verbesserung bietet. Durch offene Kommunikation, die Förderung emotionaler Intelligenz, das Nutzen verschiedener Konfliktstile und das Implementieren praktischer Konfliktlösungsstrategien können agile Teams nicht nur ihre internen Beziehungen stärken, sondern auch ihre Leistung und Innovationskraft steigern.
Konflikte richtig zu managen bedeutet, sie als integralen Bestandteil der Methodik und des Arbeitsprozesses zu akzeptieren und sie als Katalysator für positive Veränderungen zu nutzen. Mit der richtigen Herangehensweise können Konflikte in agilen Teams zu einem Treiber für Erfolg und kontinuierliche Verbesserung werden.
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