Kennst du den Unterschied zwischen einem Gespräch und einem Dialog?
Wir führen tagtäglich viele Gespräche mit anderen Menschen, sei dies im beruflichen oder privaten Kontext. Doch in welcher Art und Weise geben wir uns ein? In welcher Haltung nehmen wir teil? Welche Wirkung kann und darf der Austausch auf uns haben? Und welche Vorteile hat es, wenn wir weniger auf Gespräche, sondern mehr auf Dialoge setzen?
In einer Welt von zunehmender Abhängigkeit untereinander, ist es unerlässlich, dass wir die Dialogkultur in unserem Leben kultivieren.
Im Gespräch dominiert der Verstand
In Gesprächen sind wir in Verbindung auf der Verstandesebene mit den Gesprächspartnern. Wir hören ihnen zu, jedoch nur mittels des Verstandes. Dabei wird unsere kognitive Intelligenz aktiviert. Es fehlt uns aber die emotionale Intelligenz.
Unser Verstand tendiert dazu, Wahrnehmungen vorschnell zu interpretieren und zu bewerten. Dies führt dazu, dass wir Informationen verpassen und Aussagen missverstehen.
Im Gespräch ist unser Fokus oft zu fest bei uns selbst und zu wenig beim Gegenüber.
Wir sind auf unsere Anliegen, Interessen fokussiert. Oftmals ist es unser oberstes Ziel, unser Anliegen durchzusetzen. Mit der Haltung, wir vertreten die Wahrheit.
Dabei lassen wir uns so gut wie gar nicht auf das Gegenüber ein. Die Aussagen und Botschaften des Gegenübers, sei dies in Worten, Körperhaltung, Mimik, Energie und Gefühle berühren uns wenig und verändern uns oft gar nicht.
Im Dialog verknüpfen wir Verstand, Emotion und Absichten
Im Dialog sind wir in einer tieferen Verbindung mit den Gesprächspartnern. Nebst dem Verstand sind auch die Gefühle sowie die Absichten und Bedürfnisse in den Austausch verwoben.
Im Dialog sind wir in der Entdeckerhaltung, wir wollen mittels Fragen und Zuhören verstehen. Wir wissen um die subjektive Weltwahrnehmung jedes einzelnen und dass kein Mensch alleine im Besitz der «Wahrheit» ist. Deshalb tauchen wir im Dialog in die Welt des Gesprächspartners ein, indem wir unseren Geist, ganz auf diesen Dialog ausrichten. Wir wollen die «Wahrheit» des Gesprächspartners verstehen.
Ein Dialog fühlt sich an wie ein Fluss, der da fliesst zwischen den Involvierten. Es ist ein Strom von Energie, der in Form von Worten und fokussiertem Zuhören in einer fortlaufenden Pendelbewegung ist. Die Verbindung wird aufgebaut und bricht optimalerweise während des Dialoges nicht mehr ab.
Das wichtigste Zeichen des Dialoges ist die gegenseitige Einflussnahme. Wir lassen zu, dass die Worte und die Energie des anderen uns emotional berühren, beeinflussen und verändern. Dies ist wechselseitig, auch die Gesprächspartner öffnen sich in dieser Art und Weise.
Dialoge ermöglichen, einander zu verstehen. Sie sind Konflikt-Prophylaxe und Meetingbeschleuniger. Mit ihnen lassen sich Konflikte und Differenzen klären und für beide Seiten stimmige Lösungen erarbeiten.
Blockaden im Dialog
Sind wir im Dialog gut verbunden, gilt es darauf zu achten, diese Verbundenheit aufrecht zuhalten. Leider gibt es einige, oft unbewusste, Blockaden, die den Dialog ins Stocken bringen. Hier die vier häufigsten Blockaden:
Passivität
Eine Person zeigt im Gespräch Rückzugsverhalten und Nichtreaktion, sei dies in Sprache oder im Verhalten. Diese Person möchte lieber unbeteiligt bleiben, anstatt ein lösungsorientiertes Verhalten an den Tag zu legen. Beispielsweise sagt Urs zu Katrin: «Ich bin verärgert, dass du zu spät zu unserem Meeting kommst». Katrin blickt erschrocken und antwortet nicht. Urs: «Wo warst du nur, ich warte bereits seit 20 Minuten!». Katrin bleibt passiv und antwortet: «Ich weiss nicht.»
Abwertung Wenn jemand etwas sagt, das eine andere Person klein macht, absichtlich überhöht, ihr den Respekt versagt oder sie erniedrigt, dann handelt es sich um Abwertung. Beispielsweise bietet Katrin an, die gemeinsame Steuererklärung auszufüllen. Und Urs erwidert: «Nein, lass mal, das kannst du nicht. Du bist ja nicht mal fähig, deine Rechnungen rechtzeitig zu begleichen, wie willst du da unsere Steuererklärung korrekt ausfüllen können?». Auch die Worte «Ja, aber …» sind eine Abwertung des zuvor gesagten und unterbrechen den Dialog. In beruflichen Kontext kommt es oft vor, dass Führungskräfte sowie Mitarbeitenden unbewusst viele Abwertungen verwenden und so eine Chance auf einen Dialog vergeben.
Ablenkung Dies bedeutet, den Bezugsrahmen, den Fokus des Gespräches bewusst zu manipulieren, zu lenken, damit etwas unangenehmen oder emotionales nicht angesprochen werden muss. Beispielsweise die Frage «Bist du böse auf mich?» zu beantworten mit «Was meinst du mit böse?» ist eine deutliche Ablenkung.
Überausführlichkeit
Ein Sprecher lässt zu viele Details in seine Schilderungen einfliessen. Dies führt dazu, dass der Fokus des Gesprächs verloren geht, der Zuhörende nervös oder gelangweilt wird und so das Interesse am Gegenüber verliert. Der Dialogfaden wird dünn und kann vollständig abreisen.
Warum nicht immer im Dialog sein?
Dialoge passieren nicht einfach so. Es ist eine bewusste Entscheidung nötig, sich in dieser intensiven Art und Weise mit den Mitmenschen auseinanderzusetzen. Es gilt, sich zu öffnen, sein Herz zu öffnen, seine Persönlichkeit ein klitzekleines bisschen auf die Seite zu schieben und Platz im Inneren Raum zu machen, Platz für die Energie, die Informationen des Gegenübers. Dieser leere Raum, dieses Nicht-Wissen, darf sich ohne die eigene persönliche Wertung füllen, mit allem, was da fliessen will. Wir probieren ein kleines Abbild der Welt des Gegenübers in uns selbst aufzubauen.
Dialoge ermöglichen Win-win-Lösungen
In der Konfliktklärung reden wir von Win-win, wenn in der gemeinsamen Lösung Bedürfnisse von beiden Parteien befriedigt werden. Es wird nicht auf das Problem fokussiert und keinem der Parteien eine Lösung aufgezwungen.
Win-win-Lösungen entstehen, wenn im Dialog wird geklärt, welche Bedürfnisse der Parteien erfüllt werden sollten.
Beispielsweise will ein Ehepaar in den Ferien verreisen. Der Mann möchte in die Berge, die Frau ans Meer. Was zunächst vielleicht unvereinbar erscheint, wird zu einem lösbaren Puzzle, wenn die Bedürfnisse wie Wandern in den Bergen, Entspannung, in den Wellen herumliegen auf dem Tisch liegen. So findet sich sicherlich ein Badeort auf Korsika, der dank seiner bergigen Umgebung ideal für längere Wanderungen ist. Eine echte Win-win-Lösung, da beiden die Art von Urlaub gemeinsam erleben werden, die sie sich wünschen.
Nebst der Win-win-Lösung sind Lösungen mit anderen Machtverteilungen denkbar, aber ungünstig. Wir sprechen hier von Win-lose, eine Partei verliert, oder Lose-Lose, beide Parteien verlieren. Eine Win-lose-Lösung wäre möglicherweise zustande gekommen, hätten sich die Parteien, ohne den Austausch über die Bedürfnisse, rein über mögliche Ferienorte unterhalten. Mit dem Resultat, eine Woche im Ferienresort am Meer zu verbringen, mit einem unglücklichen Mann an der Seite.
Dialoge ermöglichen, nebst dem Verstand die Gefühle und Bedürfnisse in die Lösung zu integrieren, was Win-win-Lösungen erst ermöglicht. Dieses einfache Ferienbeispiel eines Paares, skizziert auf eine zugängliche Art, was bei komplexeren Differenzen und Konflikten ein Schlüssel für eine nachhaltige Lösung ist.
Fazit
In einer Welt von zunehmender Abhängigkeit untereinander, ist es unerlässlich, dass wir die Dialogkultur in unserem Leben kultivieren.
Literaturnachweis
Georg Kohlrieser (2023): Gefangen am runden Tisch, Klarheit schaffen, entschlossen verhandeln, Leistung freisetzen
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