Die Angst vor unangenehmen, herausfordernden Situationen und daraus resultierend schwierigen Gefühlen hat mein Leben lange im Griff gehabt. Ich fürchtete mich davor, was passiert, wenn ich loslasse, die Kontrolle dem Leben übergebe und einfach ich selbst bin.
Dies führte dazu, dass ich ganz vieles stark strukturiert, verwaltet und perfekt geliefert habe. Es hat bei kleinen Dingen angefangen, beispielsweise habe ich mich strikt an die Essenszeiten gehalten. Und war der Meinung, es muss immer ein vollständiges Mahl auf den Tisch kommen. (Vorspeise (möglichst grün), Hauptgang und etwas Süsses durfte nicht fehlen). Ich stand sehr oft stundenlang in der Küche, habe alles mit möglichst viel Liebe gekocht. Dabei habe ich wenig darauf geachtet, was ich wirklich brauche. Habe ich überhaupt Hunger? Habe ich Lust, soviel Energie jetzt ins Kochen und Einkaufen zu investieren oder hätte ich mich nicht viel lieber anderem gewidmet?
Witzigerweise hat mein Freund oft gesagt, dass ich nicht so viel Aufwand machen müsste. Was ich ihm dann noch vorgeworfen habe, nachdem er genüsslich alles verspeist hat. Dabei habe ich nicht wahrgenommen, dass die Dynamik (fast) gar nichts mit meinem Freund zu tun, sondern viel mehr mit meinem Kontrollzwang und meinem Unvermögen, einfach mal zu meinen Bedürfnissen zu stehen (was vorausgesetzt hätte, dass ich sie wahrnehmen kann).
Die Kontrolle hat sich ebenfalls bei der Arbeit manifestiert. Ich war bekannt dafür, sehr strukturierte Moderationen der Workshops abzuliefern. Diese Strukturverliebtheit war mir ganz lange überhaupt nicht bewusst. Erst nach Jahren habe ich verstanden, dass die Struktur hilft, an der Oberfläche der Prozesse zu bleiben, sie kontrolliert den Prozess stark und gab mir Sicherheit. Einfach mal schauen, was kommt und mitschwimmen war fast nicht möglich. Sehr anstrengend, für mich und alle Beteiligten.
Das Dilemma war, der Kontrollzwang gab mir Sicherheit, auf der anderen Seite der Medaille wäre das Vertrauen gewesen. Das Vertrauen in das Leben, das Vertrauen in meine innere Stimme, in mich, in meine Stärken, das Vertrauen in die Menschen rund um mich herum. Doch loslassen konnte ich lange nicht, weil ich Angst hatte dann mit unangenehmen Situationen und herausfordernden Gefühlen konfrontiert zu werden.
Es fühlte sich für mich in der Retrospektive an, wie wenn mein Innerstes zu Eis eingefroren gewesen wäre. Sicher gab es auch flüssige, flexible Bereiche in mir drin, aber das Eis hatte die Überhand.
Erst als ich über meinen Schatten gesprungen bin, Licht auf meine eisigen inneren Bereiche habe strahlen lassen und konnte eine Transformation stattfinden. Das Eis konnte ich so wahrnehmen, annehmen und integrieren. Heute ist vieles flüssiger in mir, flexibler, lieblicher und lichtvoller.
Dies zeigt sich auch im Aussen. Am Weihnachtsabend habe ich einfach ein wenig Gemüse roh aufgeschnitten und die Käseauswahl auf den Tisch gestellt. Fertig war das Festmahl. Wir mussten uns kugeln vor Lachen. Vor 2 -3 Jahren wäre das für mich nie möglich gewesen. So einfach und stimmig. Witzigerweise haben wir das Mahl genossen und es war genau das richtige. Und was ich dabei losgelassen habe? Meine Vorstellung von einem perfekten Weihnachtsessen und die Vorstellung, dass ich dafür verantwortlich bin. Gewonnen habe ich das Vertrauen, dass das Leben mir immer das serviert, was ich jetzt in diesem Moment brauche. Sehr entspannend!
Seit ich mich dem Lebensfluss so richtig hingebe, geschieht ein Wunder nach dem anderen. Die Dinge entfalten sich in und rund um mich auf sehr natürliche Weise. Dabei fällt mir immer öfter auf, dass das Leben mir Botschaften sendet, kleine Zeichen, die mich auf meinem Weg bestätigen. Falls ich mal unsicher bin, stelle ich auch eine Frage ans Leben. Bis jetzt ist sie mir jedes Mal auf die eine oder andere Weise beantwortet worden.
Ich bin sehr dankbar, habe ich die Kontrolle in vielen Teilen in meinem Leben losgelassen. Und ich bin voller Vorfreude, auf all das, was sich in Zukunft in meinem Leben noch entfalten will.
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